Der heilige Johannes von Gott
Christliche Festgemeinde, Primare, €rzte, Schwestern, BrŸder, GlŠubige!
Wir feiern zusammen in dieser Abendstunde den festlichen Gottesdienst zu Ehren eines heiligen Abenteurers, dessen Leben spannend und abwechslungsreich ist wie ein Kriminalroman.
Walter Nigg, der bekannte protestantische Theologieprofessor in ZŸrich, dem es in vielen BŸchern, die er geschrieben hat, ein brennendes Anliegen war und immer noch ist, uns Christen wieder die Heiligen nahezubringen als die unverzichtbaren Leitbilder fŸr unsere verworrene Zeit, der auf die Dauer die sehr fraglichen Leitbilder wie Filmstars, Schšnheitskšniginnen und Sportkanonen nicht mehr genŸgen dŸrften, er hat nun wieder ein Buch herausgegeben unter dem Titel ãVom beispielhaften Leben, Neun Leitbilder und WegweisungenÒ (Olten 174). Darin liefert er sehr beachtliche Lebensskizzen vom seligen Predigermšnch Heinrich Seuse, vom englischen Lordkanzler und MŠrtyrer Thomas More, vom seligen AuschwitzhŠftling Maximilian Kolbe, von der jŸdischen Konvertitin und Karmelitin Edith Stein, von vier Heiligen der russisch-orthodoxen Kirche und dann auch vom Heiligen des heutigen Tages, vom hl. Johannes von Gott.
Jetzt aber werden die Ordenssšhne dieses Heiligen, die barmherzigen BrŸder, erschrecken, wenn ich sage, unter welchem Titel dieser Heilige von Walter Nigg besprochen wird; NŠmlich unter dem Titel ãEin Heiliger aus schlechtem HolzÒ. Wir meinen so gerne, Heilige kšnnten nur aus gutem Holz geschnitzt sein und vergessen dabei, dass dort noch gro§artiger die Kraft und Wirksamkeit der Gnade Gottes sichtbar wird, wo ein Mensch mit unguten oder sogar schlechten Anlagen zu einem hinrei§enden Heiligen heranreift. In der Einleitung zur Lebensskizze des hl. Johannes von Gott meint W. Nigg: ãNicht alle Heiligen stammen von gottesfŸrchtigen Eltern ab, und lange nicht alle waren schon in den Entwicklungsjahren jeder Augen- und Fleischeslust abgestorben. Manche Heilige lebten zunŠchst hšchst unheilig, bis sie unerwarteter Weise ins Feuer Gottes gerieten. Keineswegs hatten alle Heiligen nur gute Anlagen. Auch in der Welt der Heiligen ging es oft kunterbunt zu, und es war einzig der AllmŠchtige, der (mit seiner Gnade) auch hier die richtige Ordnung herstellt. Man darf das oft wirklich schlechte Holz nicht mit einer schšnen Farbe Ÿberstreichen, damit es ein anderes Aussehen bekommt, das wŸrde von einem geringen Sinn fŸr die Wahrheit zeugen. Die dŸsteren AnfŠnge, aus denen schlie§lich nach schweren ErschŸtterungen hinrei§ende Heilige hervorgegangen sind, mŸssen wahrheitsgetreu dargestellt werdenÒ.
Nach dieser Einleitung schildert dann Walter Nigg das schlechte Holz, aus dem der hl. Johannes von Gott geschnitzt ist: Er war mit 8 Jahren ein richtiger Ausrei§er von daheim, noch dazu Ÿber die Grenzen seiner portugiesischen Heimat hinŸber nach Spanien. Er fand nicht mehr heim, zum tiefen Leid seiner Eltern. Und weil der achtjŠhrige Bub nicht einmal seinen Familiennamen wusste, gab eine spanische Familie dem Findelkind, das von ihr aufgenommen und gro§gezogen wurde, den Namen Johannes von Gott, d.h. von Gott geschickt, um an ihm Gutes zu tun. Kaum war der Bub Ÿber die Flegeljahre hinaus, brannte er auch bei seinen Zieheltern durch und schlo§ sich einer Sšldnertruppe an, die mehr einer Bande glich, vor der keine Kuh im Stall sicher war. Wegen des Verdachtes, einen Diebstahl an der von der Truppe gemachten Beute begangen zu haben, wurde Johannes ausgesto§en. Das Soldatenleben imponierte ihm aber so sehr, dass er sich einer anderen Sšldnerschar anschloss, mit der er von Spanien bis Wien kam. Dann trieb ihn die Abenteuerlust – vielleicht auch erwachtes Heimweh – wieder zurŸck nach Spanien, nach Portugal; von dort sogar hinŸber nach Nordafrika. Schlie§lich wurde er Hausierer in SŸdspanien, der seine Ware, zuletzt Bilder und BroschŸren, feilbot; in Granada wurde der unruhige Geist dieses nun schon 42jŠhrigen Mannes erst recht innerlich aufgewŸhlt, als er die feurige Predigt des seligen Johannes von Avila hšrte. Es war am Sebastiantag 1537. Johannes von Gott wurde innerlich gepackt und umgewandelt, und zwar so sehr, dass er ganz aus dem seelischen Gleichgewicht kam. Man hielt ihn fŸr Ÿbergeschnappt und verrŸckt und sperrte ihn in eine Irrenanstalt ein. Dort wurde die Geisteskranken, unter ihnen auch Johannes von Gott, mit einer eigenartigen Schocktherapie behandelt, nŠmlich mit krŠftigen PrŸgeln. In dieser Zeit aber begann Gott am schlechten Holz dieses Mannes zu schnitzen und zu arbeiten, dass die SpŠne nur so flogen. Scheinbar blieb nur ein seelisch und kšrperlich gebrochener Mensch Ÿbrig. In Wirklichkeit aber kam der Abenteurer Johannes von Gott jetzt innerlich zur Ruhe, weil er sich – von der Gnade getrieben – dem einzig lohnenden Abenteuer verschrieb: dem Abenteuer der Liebe: Entlassen aus der Irrenanstalt drŠngte es ihn, sich armer Kranker in Liebe anzunehmen, er mietete ein Haus, in das er bedŸrftige Kranke brachte und aufopfernd pflegte. Weil ihm die nštigen Mittel fehlten, ging er mit einem gro§en Sack auf dem RŸcken und mit zwei SchŸsseln um den Hals gehŠngt auf die Stra§e und rief mit lauter Stimme: ãWer will sich selber wohltun? Um der Liebe Gottes willen, tut euch selber etwas Gutes, meine BrŸder!Ò Anfangs ging nicht viel ein, bald aber wurden die Gaben reichlicher und oft kehrt Johannes von Gott voll beladen zu seinen Kranken heim, hŠufig in Begleitung eines neuen Kranken, den er irgendwo aufgelesen hatte.
Was Mutter Teresa heute in Kalkutta tut, das tat damals der Abenteurer der Liebe Johannes von Gott in Granada. Mit seiner Liebe zu den Armen und Kranken wuchs auch sein Werk. Dreizehn Jahre angestrengtester Arbeit im Dienste der Kranken zehrten aber seine KrŠfte auf. Dazu kamen noch Verkennungen und Verleumdungen, die ihm zusetzten. Dem Erzbischof von Granada, der an sich dem Heiligen wohlgesinnt war, hatte man hinterbracht, Johannes beherberge in seinem Krankenhaus Landstreicher und Dirnen und dulde verschiedene MissstŠnde in seinem Haus. Der Heilige aber erwiderte: ãWenn ich nur Gerechte aufnehmen wŸrde, so wŠren meine KrankensŠle bald leer. Wie aber kšnnte ich dann fŸr das Heil der SŸnder arbeiten? Aber kommen Sie nur in mein Krankenheus, Exzellenz und visitieren Sie nur. Sie werden finden, dass keine MissstŠnde herrschen und dass wir in unserem Krankenhaus nur einen wirklich schlechten Menschen haben, der das Brot des Almosens zu Unrecht genie§t – und das bin ich selbst!Ò
Nur ein Heiliger kann solche Worte sprechen, ohne unaufrichtig zu wirken. Der Erzbischof war tief ergriffen und lie§ Johannes von Gott freie Hand in der Verwaltung seines Spitals.
Wie aber verwaltete Johannes von Gott sein Spital? Zwei GrundsŠtze kannte er: Der eine waren die Worte, mit denen er auf die Stra§e ging, um fŸr seine Kranken zu betteln: ãTut euch selber Gutes, BrŸder, indem Ihr gut seid zu den Kranken!Ò Tut Gutes, BrŸder, an den Kranken! So nennt man heute noch in Italien die Barmherzigen BrŸder: ãFate-bene-fratelli! Tut-Gutes-BrŸder!Ò Ob nicht alle, die in diesem Krankenhaus unter dem Patronat des hl. Johannes von Gott den Kranken dienen, sich allzeit an diesen Wahlspruch halten mŸssten, von den Primaren und €rzten angefangen Ÿber die BrŸder und Schwestern bis zu den letzten HilfskrŠften? Wir unterliegen alle allzu schnell der Macht der Gewohnheit; leidende Menschen aber kšnnen den Gesunden sehr schnell auf die Nerven gehen. Man vergisst dann allzu schnell, dass den Kranken gegenŸber nicht das Verdienen, sondern das Dienen und das Gutes-tun die Losung sein muss, will man wirklich einem christlichen Berufsethos entsprechen. Ich denke aus meiner Lazarettpfarrerzeit immer mit Entsetzen an jenen Chefarzt, der ein hoher SS-Mann war, zurŸck, der – wenn die Situation eines Verwundeten kritisch wurde – immer nur die kalte Bemerkung auf den Lippen hatte: ãGeht halt wieder einer ex!Ò ãFate bene, fratelli!Ò Tut Gutes BrŸder! Allen sei in diesem Haus am Fest des heiligen OrdensgrŸnders Johannes von Gott dieser sein Grundsatz ans Herz gebunden.
Und der zweite Grundsatz des Heiligen, wie hat der gelautet? Am Haupteingang seines Spitals brachte er die Inschrift an: ãDas Herz befehle!Ò Diese Inschrift war nicht nur ein schšner Spruch, wie man ihn so oder Šhnlich an und in geistlichen HŠusern finden kann; die Inschrift deutet auf die Quelle seines Handelns beim hl. Johannes von Gott hin. Johannes von Gott war ein Heiliger des Herzens! Er unterstellte sich und sein Haus dem Befehl des Herzens. ãDas Herz befehle!Ò Das will hei§en: In Johannes von Gott war die Liebe zum Durchbruch gekommen, nicht der Wille allein, nicht der Verstand allein, das Herz wollte er befehlen lassen durch die Liebe. Er gehorchte der Stimme des Herzens, das nach Pascal seine GrŸnde hat, die der Verstand nicht kennt. Der Heilige suchte zusammen mit seinen Helfern den Kranken, vor allem den seelisch Kranken, den Geisteskranken, fŸr die man damals nur brutale SchlŠge und PrŸgel Ÿbrig hatte, in verstehender Liebe zu begegnen und ihnen zu helfen. Das Herz hat ihn den Weg zum kranken Mitmenschen finden lassen. Er wagte das grš§te Abenteuer, das Abenteuer selbstloser Liebe, die nach den Worten des hl. Paulus im Hohenlied der Liebe, geduldig ist, alles glaubt, alles hofft und alles ertrŠgt.
Meine Bitte an Sie alle in diesem Hause, ganz gleich, welche Stellung Sie innehaben und welche Aufgabe Sie zu erfŸllen haben: Handeln sie allzeit nach diesen beiden GrundsŠtzen des gro§en Abenteurers der Liebe, des hl. Johannes von Gott: ãFate bene, fratelli! Tut Gutes, BrŸder!Ò Und lasst das Herz befehlen bei eurem Tun, nicht den kalten Verstand!
Ich mšchte mit etwas schlie§en, was man mir heute erzŠhlt hat. In Fuschl am See tagt diesmal der Pastoralrat der Erzdišzese Salzburg. In der Mittagspause kam ich mit der Generaloberin der Halleiner Schulschwestern ins GesprŠch wegen der KŸndigung, die sie dem Halleiner BŸrgermeister gegenŸber fŸr die Schwestern, die im Halleiner Krankenhaus tŠtig sind, ausgesprochen hat, wenn dort lt. Beschluss des Gemeinderates die Fristenlšsung praktiziert werden soll. Sie, die Generaloberin, wollte den Schwestern in dieser Gewissensfrage nicht befehlen, jede sollte selbst eine ErklŠrung abgeben; das taten sie dann auch in sehr eindeutiger Weise. Die OP-Schwester aber sagte zum Primar wortwšrtlich: ãHerr Primar, ich verstehe Sie nicht, wie Sie jetzt so etwas anfangen kšnnen. Ich bin auch ein unerwŸnschtes Kind. Aber ich danke meiner Mutter Ÿbers Grab hinaus, dass sie mich nicht abtreiben lassen hat. Ich habe in den 20 Jahren hier im OP so viel Gutes tun kšnnen aus Liebe zu Gott und aus Liebe zu den Kranken und ich bin dabei so froh und glŸcklich gewesen! Wir sind doch fŸr die Kranken da im Dienste des Lebens und nicht zum Tšten!Ò
€hnliches sagt heute an seinem Fest der hl. Johannes von Gott den €rzten, den BrŸdern, den Schwestern dieses Hauses: ãIch habe in den 13 Jahren, die ich den Kranken widmete, so viel Gutes tun kšnnen und bin dabei froh und glŸcklich geworden und reich an Verdiensten fŸr die Ewigkeit! Macht es mir nach! Tut Gutes, BrŸder, Schwestern! Und lasst euer Herz befehlen!Ò Amen